Beschluss: Beschlossen

Abstimmung: Ja: 12, Nein: 8

Beschluss:

Der Stadtrat nimmt die Stellungnahme des SG Immissionsschutz im Landratsamt Freising vom 10.04.2017 zur Kenntnis.

Die nachfolgenden Aussagen und Bewertungen sind einer Stellungnahme des beauftragten Planungsbüros BL-Consult Piening GmbH entnommen.

 

1. Grundlagen

- [1] Landratsamt Freising, SG41 Immissionsschutzbehörde; Äußerung im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange an der Bauleitplanung gemäß § 4 Abs. 1 i.V.m. § 4a Abs. 4 BauGB; vom 10.04.2017, siehe Anhang 1

- [2] Schalltechnische Untersuchung Nr. 16-011-02 vom 16.09.2016, BL-Consult Piening GmbH

- [3] Urteil des BVerwG v. 29.11.2012; 4 C 8.11

- [4] Schreiben der Obersten Baubehörde v. 25.07.2014 "Lärmschutz in der Bauleitplanung"

- [5] Bebauungsplan Nr. 52 "WA Amperauen", Vorentwurf, Stand 12.12.2016

 

2. Erläuterungen

Die Randbebauungen gegenüber dem bestehenden Edeka-Markt und gegenüber dem zukünftigen Sondergebiet müssen mit gewerblichen Lärmimmissionen rechnen, die höher liegen können als die Immissionsrichtwerte der TA Lärm. Ohne weitere Maßnahmen würde den zukünftigen Bewohnern ein Beschwerderecht zukommen; die Gewerbebetriebe könnten auf Lärmschutzmaßnahmen technischer und organisatorischer Art verwiesen werden, damit die Immissionsrichtwerte eingehalten werden. Da Abschirmmaßnahmen zum Schutz der vorgesehenen mehrgeschossigen Bebauungen kaum praktikabel sein werden, könnten empfindliche Betriebsbeschränkungen erzwungen werden, z.B. der Ausschluss von Aktivitäten in der Nachtzeit und in den Tages-Randzeiten. Dieses wird nicht gewünscht und muss verhindert werden.

 

Das Landratsamt bezieht sich in seiner Äußerung [1] darauf, dass die in der schalltechnischen Untersuchung [2] vorgeschlagenen und in die vorliegende Fassung [5] aufgenommenen Festsetzungen 7.2 für bauliche Schutzmaßnahmen als reine "passive" Schallschutzmaßnahmen in dem in [1] zitierten Urteil [3] als nicht zulässig erklärt wurden.

 

Damit werden die vorgeschlagenen Festsetzungen jedoch falsch verstanden.

 

Denn dem einschlägigen Urteil [3] lag zu Grunde, dass in jenem Fall der an einen Bestandsbetrieb heranrückenden Wohnbebauung allein auf eine ausreichend hohe Schalldämmung von Außenbauteilen (Schallschutzfenster und Außenwand) abgestellt wurde und eine mechanische Raumbelüftung zugemutet wurde. D.h. es wurde von der Einhaltung der Richtwerte "außen" auf die Einhaltung von Richtwerten "innen" verwiesen. Diese Art der Regelung ist nur im Fall der Anwendung bzgl. Verkehrsanlagen (16. + 24. BImSchV) möglich, auf sie beziehen sich im Übrigen die Festsetzungen 7.1 von Maßnahmen an der St 2085.

 

Die TA Lärm jedoch sichert "von vornherein für Wohnnutzungen einen Mindestwohnkomfort, der darin besteht, Fenster trotz der vorhandenen Lärmquellen öffnen zu können und eine natürliche Belüftung sowie einen erweiterten Sichtkontakt nach außen zu ermöglichen, ohne dass die Kommunikationssituation im Innern oder das Ruhebedürfnis und der Schlaf nachhaltig gestört werden können." (zitiert aus dem Urteil [3], Randnr. 24).

Die TA Lärm definiert deshalb den Immissionsort als 0,5 m vor dem geöffneten Fenster eines Aufenthaltsraums gelegen.

 

Die im Fall des Urteils [3] zu Grunde liegende Art der Regelung des "passiven" Lärmschutzes, die nicht akzeptiert wird, wird in der vorgeschlagenen Festsetzung 7.2 jedoch nicht angestrebt. Vielmehr trachtet die Festsetzung danach, entweder Immissionsorte nach TA Lärm zu verhindern oder solche Immissionsorte durch Umbauungen bzw. Vorbauten mit Lüftungsfunktion zu schützen. Solche Vorbauten sind quasi "aktive" Schallschutzmaßnahmen, die dicht an den Immissionsort heranrücken und ihn bei Aufrechterhaltung der Lüftungsfunktion abschirmen.

 

Im Unterschied zu den "passiven" Schallschutzmaßnahmen wie Schallschutzfenstern, die erst hinter dem Immissionsort wirken, sollen die Vorbauten bereits vor dem Immissionsort liegen und dort wirken.

 

Diese "aktiven" Schallschutzmaßnahmen durch Vorbauten werden im vorliegenden Fall als wesentlich verträglicher angesehen als herkömmliche Schallschutzwände oder Wall-Wand-Kombinationen.

 

Bei entsprechender Ausführung dieser Vorbauten (siehe Begründung) kann davon ausgegangen werden, dass der Planungsgrundsatz des BauGB §1 Abs. 6 Nr. 1 bzw. § 34 BauGB der Sicherung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewährleistet ist. Ferner wird damit dem Gebot der Rücksichtnahme entsprochen, denn die benachbarten Gewerbebetriebe werden durch die heranrückende Wohnbebauung nicht eingeschränkt (siehe [3] Randnr. 19, "Spiegelbildlichkeit" der gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Rücksichtnahmegebot. Damit wird auch der Forderung des § 15 (1) BauNVO entsprochen.

 

Durch die Festsetzung 7.2 wird ferner ein hohes Maß an Sicherheit für die Nachbarbetriebe Edeka und zukünftige Märkte im Sondergebiet bewirkt, denn die durch die Vorbauten erreichbare Pegelminderung ist als wesentlich höher einzuschätzen als die mögliche Überschreitung der Immissionsrichtwerte. Somit muss auch der Bestandsschutz des Edeka- Marktes nicht geklärt werden (dieser wird nicht angetastet), und es verbleibt für den Betrieb auch ein ausreichender Spielraum für zukünftige Veränderungen des Betriebsablaufs.

 

Das Trennungsgebot des § 50 BImSchG ist im Übrigen auch nicht strikt zu sehen, sondern es ist abwägbar (ausführlich in [4], Seite 10 f); schädliche Umwelteinwirkungen sind (nur) so weit wie möglich zu vermeiden. Eine Möglichkeit der Vermeidung läge im Abrücken der Wohnbebauung von den Lärmquellen. Im vorliegenden Fall überwiegt jedoch das Interesse an einem sparsamen Verbrauch von Grund und Boden, so dass die Wohnbebauung nicht erst in großer Entfernung zu den Lärmquellen entstehen soll. Die durch ein solches Abrücken entstehenden Abstandsflächen wären auch z.B. zu Erholungszwecken wegen der Lärmbelastung wenig tauglich, im Gegensatz zu den im Schallschatten der geplanten Gebäude liegenden Außenbereichen.

 

Ferner besteht auch aus städtebaulichen Gründen ein Interesse daran, dass das Wohnumfeld nicht durch sehr hohe und sehr lange Lärmschutzwände zerschnitten wird, abgesehen von den hohen finanziellen Aufwendungen für die Erstellung und den Erhalt solcher Bauwerke.

 

Die vom Landratsamt vorgeschlagene Abwälzung des erforderlichen Lärmschutzes auf "aktive Schallschutzmaßnahmen" innerhalb des möglichen Sondergebiets kann nicht empfohlen werden, denn mit mehreren schalltechnischen Voruntersuchungen (im Auftrag der Stadt Moosburg) wurde gezeigt, dass selbst mit einer bereits recht aufwendigen, 5 m hohen Wall-Wandkonstruktion an der Südgrenze des Sondergebiets sich voraussichtlich Richtwertüberschreitungen an der gegenüberliegend geplanten Wohnbebauung nicht verhindern lassen. Es wären somit ohnehin die vorgesehenen Schutzmaßnahmen zumindest an den oberen Geschossen erforderlich. Andernfalls müssten Betriebseinschränkungen verhängt werden, die den geplanten Standort des Sondergebiets von vorn herein unattraktiv machen würden. Die Alternativen eines weiten Abrückens der Wohnbebauung und/oder einer Beschränkung der Anzahl der Geschosse wurden ebenfalls bereits untersucht und verworfen.

 

Mit der Festsetzung 7.2. sind unterschiedliche Arten der Grundrissgestaltung möglich, z.B. eine Erschließung über Laubengänge an den zu den Gewerbebetrieben weisenden Fassaden, oder durchgesteckte Grundrisse. Uneingeschränkt können auch Fenster von Nebenräumen an den lärmbelasteten Fassaden zugelassen werden.

 

Verhindert werden sollen jedoch Grundrisse, deren Fenster von Aufenthaltsräumen ausschließlich in den lärmbelasteten Fassaden liegen. Die Erholungsfunktion soll durch eine mögliche Nutzung der lärmabgewandten Bereiche sichergestellt werden. Es ist zwar wenig wahrscheinlich, dass solche Grundrisse geplant werden, aber sicherheitshalber soll die unten gegebene Ergänzung c) der Festsetzung 7.2. aufgenommen werden.

 

Ferner ist auch durch einen Zusatz in der Begründung zu verhindern, dass die Vorbauten ihrerseits als schutzbedürftig angesehen werden können, denn dann hätten sie ihren Zweck verfehlt.

 

3. Zusammenfassung

In Abwägung der Belange des gewerblichen Lärm-Immissionsschutzes (TA Lärm) mit dem Belang des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden (BauGB § 1a (2)) und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wird im Hinblick auf das Trennungsgebot § 50 BImSchG entschieden, dass zur Vermeidung möglicher Überschreitungen der Immissionsrichtwerte der TA Lärm an den Fassaden der Wohnrandbebauungen (gegenüber dem Edeka-Markt und dem möglichen Sondergebiet) nicht auf die Maßnahmen "Abstandsvergrößerung" und "aktive Schallschutzmaßnahmen" (Lärmschutzwände und ähnliches) abgestellt wird.

Vielmehr soll durch textliche Festsetzungen auf die Bauplanungen der Wohnhäuser so eingewirkt werden, dass gegenüber den Gewerbebetrieben entweder keine Immissionsorte nach TA Lärm entstehen oder dass solche Immissionsorte durch Abschirmungen im Nahbereich bzw. hinterlüftete Umbauungen und Vorbauten ausreichend geschützt werden.

Die in der Vorlage des Bebauungsplans [5] unter Ziffer 7.2 vorgesehene Festsetzung, in Verbindung mit Erläuterungen in der Begründung, wird hierfür als ausreichend und zielführend angesehen und bestätigt.

 

Ferner wird folgende Ergänzung der Festsetzung Ziffer 7.2 vorgeschlagen:

"c) Die betreffenden Wohnungen müssen über Fenster von Aufenthaltsräumen auch an den vom Lärm unbelasteten Fassaden verfügen."

 

Schließlich wird als Ergänzung der Begründung vorgeschlagen:

"Die mit der Festsetzung 7.2 erforderlichen Vorbauten dürfen nicht als eigenständige schutzbedürftige Aufenthaltsräume gestaltet werden."

 

Der Stadtrat beschließt, die vorgeschlagenen Änderungen im Satzungstext bzw. in der Begründung zu ergänzen, weitere Änderungen sind nicht veranlasst.